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Hoffnung und Risiko

NAWI Graz Professor Adrian Daniel Boese erforscht Methanhydrate am Meeresboden auf deren Potenziale

Der theoretische Chemiker Adrian Daniel Boese ist seit 1. November 2014 Professor an der Uni Graz und erforscht Methanhydrate am Meeresboden auf deren Potenziale. Foto: Furgler.

Der theoretische Chemiker Adrian Daniel Boese ist seit 1. November 2014 Professor an der Uni Graz und erforscht Methanhydrate am Meeresboden auf deren Potenziale. Foto: Furgler.

Die Weltpopulation zehrt über die Maßen an den natürlichen Ressourcen des Planeten. Zur Jahresmitte ist der Wendepunkt üblicherweise erreicht, ab dann leben wir "auf Pump". Neue, grüne Energiequellen ausfindig zu machen, wird daher immer wichtiger werden, um das ökologische Gleichgewicht einigermaßen intakt zu halten.


Als großer Hoffnungsträger werden dabei Methanhydrate –  das sind eisähnliche Festkörper, die aus Methan und Wasser bestehen – gehandelt. Die darin gebundene Menge an Kohlenstoff ist in Relation zu den fossilen Energieträgern riesig, erklärt Univ.-Prof. Dr. Adrian Daniel Boese vom Institut für Chemie der Karl-Franzens-Universität, der im Zuge der Kooperation von Uni Graz und TU Graz in den Naturwissenschaften, NAWI Graz, berufen wurde: "Es gibt tatsächlich bedeutend mehr Methanhydrat-Vorräte als wir Kohle, Öl und Gas zusammengezählt haben". In rauen Mengen entstehen diese Methanhydrate an Meeresböden, die dafür ideale Bedingungen bieten: Temperaturen bei etwa 4 Grad Celsius und hoher Druck. Bevölkert werden diese Gebiete von Bakterien, die tote, zu Boden sinkende Meerestiere zersetzen. "Dieser Prozess setzt Methan frei, das am Meeresboden in eisähnlichen Kristallen eingelagert wird."

 

Die Idee ist nun, sich dieses Methan zunutze zu machen, erklärt Boese: "Man könnte eventuell sogar in einem Schritt das beim Verbrennen von Methan entstehende Kohlenstoffdioxid, ein Treibhausgas, in die eisähnlichen Kristalle einlagern und somit wiederum Methan freisetzen." Damit wäre die gewonnene Energie nicht klimaschädlich. Die vorhandenen Reserven an Methanhydraten bergen jedoch auch ein nicht zu unterschätzendes Problem, unterstreicht Boese: "Es handelt sich um ein enormes Klimarisiko, das aus unserer Erdgeschichte bekannt ist: Steigt die Temperatur in den Weltmeeren durch die globale Erwärmung, könnten die Hydrate zerfallen. Das dabei frei gesetzte Methangas gelangt in die Atmosphäre, die sich und ebenso die Meere noch mehr aufheizen. Der Vorgang beschleunigt sich sogar, weil Methan in der Atmosphäre ein bedeutend schädlicheres Treibhausgas als Kohlenstoffdioxid ist." Diese Prozesse vollständig zu beschreiben, ist eine Herausforderung für die Wissenschaft: Als theoretischer Chemiker ist Boese derzeit in ein Forschungsprojekt über organische Hydrate in Kooperation mit der Universität Warschau intensiv eingebunden. "Die dort untersuchten Kristalle sollen auch theoretisch beschrieben und dadurch besser verstanden werden. Für mich sind deshalb die Praxisbezüge solcher theoretischen Arbeiten sehr naheliegend", so der gebürtige Deutsche, der seit 1. November 2014 Professor für Computational Physical Chemistry ist.


In einem zweiten Schwerpunkt untersucht der 40-Jährige, wie sich Moleküle im Kristall arrangieren. Ein gutes Beispiel für diesen Themenkomplex ist das altbekannte Aspirin. In dessen kristalliner Form sind die Moleküle auf eine ganz bestimmte Art angeordnet. „Findet man nun zunächst – theoretisch – eine weitere Möglichkeit der Anordnung, könnte man diese vielleicht technisch produzieren und damit sogar auf den Markt bringen. Solche neue Formen lassen sich sogar patentieren. Für die pharmazeutische Industrie stellt dies eine attraktive Möglichkeit dar, bekannte Medikamente zu verbessern, weshalb man sich sehr intensiv mit dieser Forschung beschäftigt", erklärt der Forscher. Theoretische ChemikerInnen rechnen in diesem Fall aus, ob verschiedene Anordnungen überhaupt stabil sein können. Um das verlässlich abzuschätzen, bedarf es aber noch einer intensiven Methodenentwicklung, die für Boese durch den Praxisbezug an besonderer Attraktivität gewinnt: "Erst dadurch sind wir in der Lage sind, bestimmte Phänomene überhaupt exakt zu berechnen und komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen. Sie legt somit den Grundstein zu den genannten Anwendungen."


Boese studierte Chemie in Essen und absolvierte mehrere Forschungsaufenthalte in Deutschland, den USA, Israel und Großbritannien. An der Humboldt-Universität zu Berlin arbeitete er mit dem Quantenchemiker Joachim Sauer, Ehemann der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, zusammen. Die Habilitation an der Uni Potsdam erfolgt in den nächsten Monaten. In Graz möchte Boese nicht nur verstärkt Forschungskooperationen aufbauen, sondern sich in seiner Freizeit mit seiner Frau wieder mehr seinem großen Hobby, dem Turniertanz, widmen.